Serelle I - Ich bin eine Abbaturi

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21. Hekaphaurus 6542 der Vierten Ära nach der Landung in Lethalia (NL)

Sonnenaufgang

Serelle

 

 

Die Purpurfeste lag wie immer in diesen kalten Tagen ruhig und einsam da, hoch oben im Perlengebirge, welches aufgrund seiner Form gerne auch nur als "Fangzähne" bezeichnet wurde.

Hier oben, wo die Wolken zum Greifen nahe waren und selbst die Sommersonne gerade noch genug Kraft hatte, dass man nicht im Fellmantel nach draußen musste, konnte sie sogar bis hinüber zu den Grünlandweiden sehen. Oder hätte vielmehr gekonnt, wenn sie nicht in der Wanne aus schwarzem Marmor gelegen hätte. Wenn sie hätte genügend Kraft gehabt, um sich länger als die wenigen Minuten, die ihr täglich zur Verfügung standen, aufrecht halten zu können, damit sie sich an das Fenster aus dickem Glas mit der verschnörkelten Eisenfassung hätte setzen können. Der klare, kalte Winter hatte die Frostblumen der Nacht während des Tages auf dem Glas gehalten; die bleiche Morgensonne ließ den Frost auf den Weiden am Fuße des Gebirges und auf den Feldern weiß glitzern. Wie Sternenstaub oder zerriebene Diamanten. Ein paar Flecken Rot, sei es Wein oder Blut, würden dem Weiß sicherlich guttun.

"Gnh.", machte Serelle, als ein erneuter Krampf in ihrem Unterleib begann und bis in die Brust zog. Sie klammerte sich an den Wannenrand, konnte sich kaum rühren. Ihr Bauch krampfte, ein Schwall von dunkelrotem Blut stieg einer roten Wolke gleich zwischen ihren Beinen auf, zerfaserte auf dem Weg nach oben. Ärgerlich und angewidert hieb Serelle ihre Hand ins Wasser, sodass die rote Flüssigkeit sich verteilte und damit verschwand, keine Spur ihrer Anwesenheit mehr das Bad trübte.

Angewidert von dem Krampf und dem Umstand, welchen sie in das fast regelmäßige Bad am Abend zwang, goss sie etwas von dem frischen Duftwasser in die Wanne, verteilte es mit wischenden Handbewegungen. Es duftete nach wenigen Augenblicken kühl und sanft wie ein Frühlingsregen, gewürzt mit etwas zerstampfter Minze, dabei so kalt wie die Wut in ihrem Bauch.

Eigentlich wollte sie hier nicht liegen. Nicht mit schmerzendem Unterleib, ausgerenkter Hüfte, die langsam wieder heilte. Vielmehr wollte sie ihre Reise planen, auch, wenn sie darauf nicht wirklich Lust hatte. Aber mehr gab es nicht zu tun. Sie durfte nichts machen und ihre Mutter hatte ihr verboten, zum jetzigen Zeitpunkt in das Rote Skriptorium zu gehen, um das Infini Inferné zu studieren. Und die Schriften, die danach folgten. Bisher hatte sie das Rote Skriptorium nur von außen gesehen und konnte es kaum erwarten, diese heiligen Hallen zu betreten, die nur den beiden Hohepriestern des Clans und einigen ausgewählten Priestern vorbehalten war.

Ihr Blick fand den silbernen Dolch, der seit gestern mit einem roten Samtkissen auf ihrem Schminktisch aus Mahagoni lag. Scharf glänzte die Klinge im frühen Licht des Morgens. Die Opferschale aus Marmor stand noch unbenutzt daneben, etwa so groß wie ihre Handfläche. Sie würde opfern, wenn sie es schaffte, sich aus der Wanne zu erheben und ohne Unfälle an ihren Schminktisch zu kommen. Ihr Siegel in dem Ebenholzkasten hatte sie nur kurz angeschaut, sich gemerkt und wieder weggelegt. Es würde noch Jahrzehnte dauern, bis sie selbst Siegelbefugnis hatte.

Verdammt sollten ihre Eltern sein, dass sie dazu gezwungen worden war. Mit etwas Glück konnte sie in zwei bis drei Wochen endlich ihre Räumlichkeiten verlassen und sich ihr Ei anschauen. Sie war zwiegespalten, was ihre Ablage anging. Einerseits wollte sie, dass es nicht überlebte, andererseits wollte sie aber auch nicht noch einmal durch Zwang diese Tortur durchmachen müssen.

Wieder zog ein Krampf durch ihren Körper, die Menge an Blut war aber dieses Mal deutlich weniger, die zwischen ihren Beinen aufstieg. Wann, bei den Infernalé, hörte das auf?

Ein zaghafter Griff zwischen ihre Beine ließ sie zusammenzucken. Es brannte wie eine offene Wunde, an die man eine Flamme hielt. Serelle machte sich eine geistige Notiz, dass sie das erstmal unterließ. Ihre Heilerin würde ihr sagen, wann wieder alles in Ordnung war.

Verdammt sollten ihre Eltern sein. Verdammt ihre Mutter, die ihr nicht erlaubte, sich einen geeigneten Partner auszusuchen. Jemanden aus einer reinen Blutlinie. Warum nicht Rovar, sie war ihm eh versprochen, sobald sie das Amt der Hohepriesterin eingenommen hatte. Auch eines dieser Dinge, die sie nicht verstand und nicht akzeptieren wollte. Er war schließlich Anwärter auf den Platz im Rat der Sechs, warum konnten sie ihre Verbindung dann nicht jetzt schon eingehen? Ein gemeinsamer Nachfolger - sie weigerte sich, ihr Ei als ihr Kind zu bezeichnen - wäre doch von Vorteil für beide Seiten. Ihr gemeinsamer Plan, von dem ihrer beider Eltern nichts wussten, hätte bereits jetzt Früchte tragen können.

Wieder schaute sie den silbernen Opferdolch an. Mit der ersten Opferung und ihrer baldigen Aufnahme in die Anwärterschaft würde sie sich in die Bibliothek der Infernalé begeben, wo sie die ersten Zauber lernen würde. Einen kleinen Heilzauber beispielsweise, der ihre Wunden versorgen würde. Zusätzlich zu den ersten Blut-Inkantantionen. Wie gut, dass ihrer Familie ein nahezu unerschöpflicher Vorrat an menschlichen Sklaven und niederen Vampiren zur Verfügung stand. Übungsmaterial war zur Genüge vorhanden. Das Blut von Shirash würde sie zwar erst viel später zu sich nehmen, wenn sie eine Priesterin geworden war, aber auch das war nur ein Augenblick, auf den sie zu warten hatte.

Niedere Vampire. Ein verächtliches Schnauben entkam ihr, als sie wieder an diesen Vampir dachte. Diesen Jungen, kaum ein Mann, gerade so ausreichend. Unerfahren, hektisch. Manchmal spürte sie sein fast grobes Stochern immer noch. Am liebsten hätte sie ihn ausgesaugt, damit er niemandem davon erzählen könnte. Er hatte auch versucht, sie zu benutzen, aber das hatte Serelle nicht zugelassen. Ihr wurde immer noch schlecht vor Wut und Ekel, wenn sie an ihn dachte. Sie würde ihm einen Besuch abstatten. Falls ihre Mutter es noch nicht getan hatte. Und warum ausgerechnet musste es ein niederer Vampir sein? Das verdarb nur das Blut.

Der Türklopfer aus Messing schepperte dreimal gegen die Platte an der Tür, ließ sie zusammenzucken und einen feurigen Stich durch ihre Hüfte ziehen.

"Herein.", grummelte sie laut genug, dass es zu hören war. Die dunkle Steintür mit den goldenen Adern schwang beinahe geräuschlos auf, ihr persönlicher Diener Nerth - ebenfalls ein niederer Vampir - trat herein, gefolgt von zwei menschlichen Sklavinnen mit dem Sklavenhalsband der Abbaturi um den Hals. Ihre Kleider waren ordentlich, sauber, Nerth hatte sich wie üblich herausgeputzt, sein goldener Zeitmesser hing an der ebenfalls goldenen Kette in der nachtschwarzen Weste im starken Kontrast zu dem schneeweißen Hemd. Seine genauso nachtschwarze Hose endete über blank polierten schwarzen Lederschuhen mit goldenen Verzierungen. Er hatte sein ihm zugestandenes Kontingent ausreichend genutzt.

Im Gegensatz zu ihrer Vertrauten Kiara. Sie trug für eine Dienerin und niederen Vampir auch gute Stoffe, dennoch wusste sie, wie sie sich zu benehmen hatte. Ihre Kleider waren immer sauber, sie waren bodenständig, praktisch und versuchten nicht den Adel nachzumachen, wie Nerth es tat.

Ihre Vertraute kam nach Nerth herein. Sie war größer als Serelle, ihr Kleid reichte bis zum Boden, ihre Lederschuhe säuselten über den Steinboden. Ihre rotbraunen lockigen Haare waren zu einem sauberen Zopf nach hinten gebunden, ein grünes Tuch bedeckte ihre Haupthaare. Sie trug eine große Rolle bei sich, welche sie an die Wand neben dem Schminktisch lehnte.

"Meine Herrin.", begrüßte sie Serelle mit einer Verbeugung. Auch Nerth verneigte sich, sagte aber kein Wort, sein kaltes Lächeln jagte ihr Schauer über den Rücken.

"Kiara. Nerth." Serelle rutschte etwas tiefer ins Wasser, legte den Arm auf den Wannenrand. Sie mochte es nicht, wenn Nerth sie nackt sah. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gefühl dabei.

Die beiden menschlichen Sklavinnen zogen die Decke und dann die Matratze ab. Beide hatten große rote Flecken. Zähneknirschend schaute Serelle weg, sie schämte sich für ihre Schwäche.

Nicht, dass sie etwas für diese Schwäche konnte. Eine Geburt war immer ein potenziell tödliches Risiko und die Heilung dauerte lange. Dennoch war das Blut in ihrem Bett ein Zeichen für diesen Umstand und sie schämte sich dafür.

"Meine Herrin." Kiara trat an die schwarze Marmorwanne heran, ein großes und ein kleines Tuch in den Händen. Ihre Vertraute legte das kleine Tuch auf den Boden, dann stellte sie sich in die Sichtlinie zu Nerth, damit er sie nicht sehen konnte. Ob Kiara es aus Absicht tat, weil sie Serelle vor seinen Blicken schützen wollte oder einfach aus Höflichkeit, konnte Serelle nicht sagen, war ihrer Vertrauten aber dankbar.

"Kommt, Herrin.", sagte die etwas ältere Vampirfrau mit den grünlichen Augen, krempelte ihre Ärmel hoch bis zum Ellenbogen und beugte sich zu Serelle, welche den Arm vom Wannenrand hob und ihn um den Nacken der Frau legte. Sie spürte ihre Wärme und die Stärke ihrer Muskeln, als Kiara ihre Arme ins Wasser tauchte und Serelle half sich aufzurichten. Schmerzen schossen durch ihre Hüfte, als sie sich mit der Hilfe von Kiara aus der Wanne hievte und sie zischte.

"Ist sie wieder herausgesprungen?", fragte Kiara besorgt, als sie Serelle auf den Wannenrand setzte.

"Nein.", knurrte Serelle, hielt sich an Kiara fest. Ein paar Blutfäden liefen ihre Beine hinunter. Kiara griff rasch nach dem großen Tuch, breitete es aus, schlang ihre Arme unter Serelles Achseln hindurch und zog sie auf die Beine. Serelle hielt sich an ihr fest und drückte ihre Hände von ihren Brüsten weg, als ihre Vertraute sie trocknen wollte.

"Nicht.", murmelte sie leise. "Sie sind..."

"Ich verstehe." Kiara lächelte leicht, ließ von dem Busen ihrer Herrin ab und trocknete sie am restlichen Körper ab, behielt das Tuch aber auf ihrem Körper, bevor sie sich an die menschlichen Sklaven wandte.

"Du." Sie deutete auf die Blonde. "Schrank, ein Nachtgewand. Nicht weiß. Blau. Ja, genau das. Und eine der Binden. Ja, leg sie hierhin. Gut, bezieht das Bett und bringt die Wäsche weg."

Die Sklavinnen verneigten sich, das Bett war nach wenigen Augenblicken bezogen. Sie nahmen die blutigen Laken, das schmutzige Nachtgewand und verschwanden, ihr Geruch folgte ihnen.

Kiara schaute Serelle an, als sie die weiße Binde ein Stück abrollte. "Kommt schon etwas, Herrin?"

"Ja.", nickte Serelle leicht. "Es ist nicht angenehm. Wofür die Binde?"

"Damit es nicht ins Nachtgewand geht.", lächelte Kiara, zog das Tuch beinahe übertrieben sanft nach unten und legte es Serelle in den Schoß, entblößte ihren Busen und band den weichen Stoff der Binde um ihren Oberkörper. Serelle hielt es aus und gab keinen Laut von sich, obwohl ihr Busen unangenehm spannte und empfindlich war.

"Danke.", hauchte sie so leise, dass Nerth es nicht mitbekam. Kiara nickte nur, band die Binde an ihrem Rücken fest und entfaltete das Nachtgewand.

"Arme hoch, Herrin.", bat sie mit einem leicht befehlenden Unterton, den Serelle mit einem bösen Blick quittierte. "Verzeiht."

Es wurde kurz dunkel, als Serelle die Arme hob und das Nachtgewand über ihren Kopf gezogen wurde. Der weiche Stoff schmiegte sich an ihren Körper und mit der Hilfe ihrer Vertrauten erhob sie sich vom Wannenrand, wieder fauchten Schmerzen durch ihre Hüfte und Beine und dieses Mal gab sie einen gequälten Laut von sich.

"Alles in Ordnung, Herrin?", fragte Nerth von der Seite.

"Nein.", zischte Serelle, wurde von Kiara zum Bett bugsiert und in die vielen Kissen gelegt. Erst dann ließen die Schmerzen etwas nach. "Ich habe vor wenigen Tagen ein Ei bekommen, du erinnerst dich? Argh, verdammt, wie kannst du nur so etwas fragen? Du warst doch dabei, natürlich ist mit mir nichts in Ordnung!"

"Verzeiht, Herrin." Nerth verneigte sich, das kalte Lächeln verschwand nicht von seinen fein geschnittenen Zügen. "Benötigt Ihr einen Sklaven, um den Blutverlust auszugleichen?"

"Nein. Kiara übernimmt diese Aufgabe, wie vorher auch. Schick ihr nachher einen Sklaven, sie hat ihn nötiger." Serelle verzog das Gesicht, als sie sich etwas aufrichtete. "Und erkundige dich, ob Rovar bereits zurück ist. Wenn ja, soll er, sobald es geht, zu mir kommen."

"Natürlich, Herrin. Ich werde auch Euer Frühstück auch gleich bringen, es sollte jeden Moment bereit sein."

"Ich habe es veranlasst.", sprach Kiara kalt in Richtung des anderen Vertrauten. "Speis und Trank sollten eigentlich bereits fertig sein."

"Dann werde ich es natürlich besorgen, wenn es nur organisiert wurde." Nerth verneigte sich erneut, beinahe übertrieben tief, bevor er die schwere Steintür erneut öffnete und verschwand.

Serelle seufzte. Sie war diese ewigen Sticheleien ihrer Vertrauten satt, erfreute sich aber an dem Hass, den Nerth Kiara entgegenbrachte, denn dies bedeutete, dass Kiara viel besser war als Nerth.

"Nimm das Tuch und komm her.", befahl sie ihrer Vertrauten, welche ihre Worte in die Tat umsetzte und mit dem großen Trockentuch zu ihrer Herrin ins Bett und in die Kissen krabbelte. Serelle lehnte sich an ihre Schulter, das große Trockentuch wurde als Schutz auf ihre Brust gelegt und Kiara reichte ihr ihren freien Arm.

Serelle nahm das dargebotene Gliedmaß in die Hände, bevor sie mit ihren spitzen Eckzähnen die Innenseite aufriss, genau über der großen Ader. Kiara zuckte wie vorher auch schon. Serelle öffnete ihren Mund, legte die Lippen über die blutige Stelle und ließ die warme Flüssigkeit einfach in ihren Mund pumpen. Mit jedem Herzschlag ihrer Vertrauten kam ein großer Schwall Blut und genüsslich schluckte sie jedes Mal. Das Blut eines Vampirs war genauso schmackhaft wie das eines Menschen, wobei es bei Vampiren immer einen gewissen Mangel gab, der durch die fehlende Sonne erklärt wurde. Menschen konnten in der Sonne überleben, Vampire nicht. Selbst mit menschlichem Blut vollgepumpt waren es kaum drei Stunden.

Sie spürte den Blutdurst in sich aufkeimen und bevor sie Kiara aussaugte, ließ sie von dem Arm ab, Blut spritzte auf das Trockentuch.

"Gut so, Herrin." Kiara schien etwas blasser zu sein als sonst, band das Trockentuch rasch um die Wunde, drückte zu und zog an einem Ende. Das Tuch zog sich zu und verschloss die Wunde, ein Teil des Stoffs färbte sich rot.

"Ich werde dich irgendwann heilen können, sollte es wieder nötig sein.", versprach Serelle leise. "Ich hoffe nicht, dass ich wieder Kinder kriegen muss."

"Und wenn Ihr es möchtet, Herrin, werde ich hoffentlich an Euer Seite sein." Kiara legte ihren verbundenen Arm in ihren Schoß, machte keine Anstalten, Serelle allein zu lassen. Und das war ihr auch ganz recht.

"Was hast du mir da mitgebracht?" Serelle deutete auf die Rolle neben ihrem Schminktisch und verzog das Gesicht, als die Binde um ihre Brust spannte. Es fühlte sich an, als würde Flüssigkeit in den Stoff sickern, sie könnte es sich aber auch einbilden.

"Eine Karte." Kiara schaute ihre Herrin fragend an, welche nur nickte. Die Vertraute rutschte aus dem Bett, öffnete die Hülle auf einer Seite und schob das Pergament heraus. Die Karte war so groß wie das Bett. "Eure gnädige Mutter, die Blutige Eminenz Yolene, möchte, dass Ihr Eure Reise mit mir plant, Herrin."

"Wurde auch Zeit." Serelle lächelte schmal. "Ich dachte schon, sie ignoriert mich und meine Ansprachen."

"Eure gnädige Mutter ist eine vielbeschäftigte Frau."

"Mag sein, aber gnädig war sie noch nie." Serelle zischte leise, als sie ihre Beine bewegte, um ihr Gewicht zu verlagern. "Für sie bin ich auch nur ein Mittel zum Zweck. Aber genug davon, über meine Mutter zu reden verursacht mir Kopfschmerzen."

In der Sekunde klopfte es wieder an der Tür. Serelle rollte mit den Augen, bevor sie den Eintritt freigab.

Herein trat Nerth, der ein großes Tablett in den Händen hielt und Serelle wunderte sich, wie er hatte klopfen können.

"Meine Herrin, ein Frühstück zur Stärkung." Er stellte das Tablett von der Seite des Bettes neben sie. "Brot, Aufschnitt, etwas frischer Quark mit Weizenkörnern. Äpfel, eine große Kanne Tee und ein sechs Jahre alter Blutwein, um die Bluterzeugung zu fördern, mit besten Grüßen von der Küche."

"Funktioniert das wirklich?", fragte Serelle leise. "Blut wird doch im Knochenmark gebildet."

"Man sagt es." Nerth verbeugte sich. "Um Mitternacht gibt es roten Eber in Soße mit Minze und Früchte."

"Gekocht oder gebraten?"

"Gekocht."

"Gekochtes Wildschwein in Minz-Soße?" Serelle wunderte sich, was das Tier dem Koch getan hatte. "Nun gut, rotes Fleisch soll gut sein, um die Blutbildung zu fördern. - Nun, Nerth, was macht meine Reisekleidung und meine Waffen?"

Nerth blinzelte und Serelle wusste, dass er nicht nachgefragt hatte. Wieder ein Punkt gegen ihn. Er war nur hier, weil ihr Vater es so wollte. Kiara als ihre Vertraute reichte ihr eigentlich.

"Eure Waffen sind nahezu fertig, der Schmied verpasst ihnen noch den letzten Schliff, damit sie Euch als Abbaturi gerecht werden.", sprang Kiara rasch ein. Natürlich hatte sie nachgefragt.

"Was Eure Reisekleidung angeht, werde ich umgehend nachfragen.", beeilte sich Nerth zu sagen.

"Gut, erstatte mir nachher Bericht. Du kannst gehen." Serelle scheuchte ihn mit einer Handbewegung hinaus und wartete, bis sich die Tür schloss, bevor sie sich eine Scheibe Brot abschnitt.

"Wo wollt Ihr Eure Reise beginnen, Herrin?" Kiara goss Serelle Blutwein und Tee in getrennte Becher ein.

"Im Ebenholzdickicht. Ich werde von hier aus nach Süden gehen und den Lachlidan einen Besuch abstatten. Vorher schaue ich mir die Höfe und Dörfer der Gründlandweiden an." Sie grinste, verspeiste rasch ihr Brot, schmatzte leise. "Mal sehen, ob der Name Abbaturi den alten Druiden noch etwas bedeutet. Haben wir einen Namen für ihre Hauptstadt?"

"Ja, ich habe ihn herausfinden können. Sie wird Leysirith genannt, bestehend aus dem Wort für Adern oder Gefäße und Dunkelheit, die Stadt der Schwarzen Adern."

"Hübsch." Serelle trank von ihrem Tee, der versetzt war mit allerhand Gewürzen. "Wo liegt sie?"

"Fast genau südlich von hier, wie der Rabe fliegt."

"Gut, dass wenigstens eine von uns sich auskennt."

"Ihr seid zu gütig, Herrin." Kiara verneigte sich aus der Hüfte. "Ich diene Euch, Herrin."

"Eigentlich sollte ich es auch wissen." Serelle schaute in ihren Becher. "Ich bin eine Abbaturi und als solche sollte ich es wissen."

"Ihr seid eine Abbaturi.", bestätigte Kiara. "Ihr wisst bereits viel und Euer Wissen wird sich mehren. Gestern tat es das, heute mehrt es sich und auf Eurer Reise wird es sich noch weiter mehren."

"Sehr blumig ausgedrückt.", schmunzelte Serelle. "Aber dennoch, ich hätte es wissen müssen."

"Herrin?"

"Hm?"

"Warum geht Ihr nicht zuerst zu den Voltera? Sie sind der zweitälteste Clan und sicherlich ein guter Bündnispartner. Sie werden sich sicherlich freuen und geehrt fühlen, wenn die Erbin des Hohepriesterinnensitzes direkt an sie gedacht hat."

"Guter Gedanke, aber ich möchte eine Rundreise machen und mit dem Besten zum Schluss beenden. Das werde ich meinen Eltern sagen und auch den Voltera, sollte ich überhaupt soweit kommen."

"Warum solltet Ihr nicht?"

"Hast du mich mal angeschaut?"

"Oft und... gerne."

"Hoffe ich doch.", schmunzelte Serelle, wischte sich die schwarzen Haare aus der Stirn. "Nein, im Ernst. Es werden genug große Clans sich meiner bemächtigen wollen. Entweder, weil sie meinen Körper wollen, meine Loyalität, etwaige Versprechungen oder weil sie mich tot und den Abbaturi-Clan geschwächt sehen wollen. Daher muss ich bereit sein für alles und auch an alles denken und mir den größten und stärksten Clan für den Schluss aufheben."

"Hoffentlich werden Eure Eltern das auch so sehen."

"Nun, was sollen sie machen? Der Weg wird der gleiche sein, nur eben andersherum." Serelle warf einen Blick auf die Karte. "Lass uns weiterschauen..."

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